Sein oder Nichtsein – künstliche Intelligenz in der IT-Branche.

Noch vor nicht allzu langer Zeit hatten Gespräche über künstliche Intelligenz etwas von Science-Fiction. Wir diskutierten darüber, wie KI einmal die Arbeit von Programmierern verändern würde, wie sie sich auf Geschäftsmodelle auswirken würde und ob sie überhaupt jemals zu einem realen Werkzeug im täglichen Betrieb von IT-Unternehmen werden würde. Heute sind diese Überlegungen in die Praxis übergegangen - KI ist zu einem Teil unseres Alltags geworden. Systeme zur Unterstützung des Codeschreibens, generative Algorithmen zur Automatisierung der Dokumentation oder Low-Code-/No-Code-Plattformen verändern die Arbeitsweise von Technologieteams nachhaltig.

In Polen, wo ich täglich mit Softwarehäusern und Technologieunternehmen zusammenarbeite, sowie in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wo ich mit Kunden und Partnern spreche, die nach bewährten Lieferanten suchen, höre ich immer häufiger dieselbe Frage: Ist künstliche Intelligenz der Anfang vom Ende des traditionellen Softwarehauses oder eher der Beginn einer neuen Entwicklungsphase der Branche?

Warum ist dieses Thema so brisant geworden?

Polnische Softwarehäuser haben sich über Jahre hinweg einen Vorsprung durch ein bewährtes Modell erarbeitet: hohe Servicequalität, Flexibilität und wettbewerbsfähige Preise. Dadurch konnten sie sich eine starke Position in Europa sichern – insbesondere in der DACH-Region, wo Kunden polnische Partner für ihre Zuverlässigkeit und Schnelligkeit schätzen.

Das Aufkommen der KI hat jedoch eine neue Dynamik ausgelöst.

  • Kunden testen Tools, mit denen sie einen Teil ihrer Prozesse selbst automatisieren können.

  • Programmierer beschleunigen ihre Arbeit dank der Unterstützung durch künstliche Intelligenz.

  • Die Diskussion verlagert sich zunehmend von der Frage „Wie viele Entwicklungsstunden sind erforderlich?“ hin zu „Wie schnell können wir einen geschäftlichen Mehrwert erzielen?“.

Aus der Perspektive von Kunden aus Deutschland oder Österreich sehe ich, dass diese Verschiebung besonders deutlich zu erkennen ist – sie wollen schnelle Ergebnisse und messbaren Wert. Polnische Unternehmen hingegen lernen oft erst, wie sie auf diese Weise über ihre Dienstleistungen berichten können.

KI als Bedrohung

Es lässt sich nicht leugnen, dass ein Teil der Programmieraufgaben automatisiert wird. Grundlegende Module, sich wiederholende Codeelemente oder einfache Integrationen – all das können KI-Algorithmen schneller und kostengünstiger generieren.

Für Softwarehäuser, die weitgehend auf dem Modell des Body Leasing und dem Verkauf von Programmierstunden basierten, bedeutet dies ein erhebliches Risiko. Kunden beginnen, unbequeme Fragen zu stellen: Wenn KI in der Lage ist, eine Funktionalität in wenigen Minuten zu generieren, warum sollten sie dann für wochenlange Arbeit des Teams bezahlen?

Auf den DACH-Märkten ist dieser Trend besonders deutlich zu beobachten. Dort ist der Preisdruck stärker und das Bewusstsein der Kunden hoch. Unternehmen, die nicht über den „Verkauf von Code” hinausgehen können, könnten sich in einer schwierigen Lage wiederfinden.

KI als Chance

Aus einer anderen Perspektive betrachtet, bietet künstliche Intelligenz polnischen Softwarehäusern eine enorme Chance. Es ist eine Gelegenheit, ihre Rolle vom „Auftragnehmer” zum „Geschäftspartner” zu verändern.

Kunden in Deutschland oder Österreich fragen immer häufiger nicht mehr, wie man einen Code schreibt, sondern wie man eine Lösung entwickelt, die ihr Geschäft in der Praxis verändert. KI ist für sie ein Werkzeug – aber sie brauchen jemanden, der ihnen zeigt, wie sie es sicher, vorschriftsmäßig (NIS2, DORA oder eIDAS) und skalierbar einsetzen können.

Und genau hier sehe ich die Rolle polnischer Unternehmen: Wir können schneller und flexibler agieren als viele westliche Wettbewerber und sind gleichzeitig zunehmend bereit, als Berater, Integratoren und Wegweiser im Prozess der KI-basierten Transformation zu fungieren.

Zwischen Technologie und Mehrwert für Unternehmen

Aus Gesprächen mit polnischen Softwarehäusern und Kunden aus der DACH-Region geht eines hervor: Es besteht nach wie vor eine Kluft in der Wahrnehmung des Werts von Technologie. Polnische Unternehmen sprechen von Lösungen, Kunden von Ergebnissen.

KI kann diese Kluft schließen, sofern wir lernen, ihren geschäftlichen Nutzen zu kommunizieren.

Der Mensch im Zentrum des Wandels

Bei all der Diskussion über künstliche Intelligenz vergisst man leicht, dass Technologie an sich nichts verändert. Es sind die Menschen, die ihr Richtung und Sinn geben. Es hängt von Führungskräften, Projektteams, Produktverantwortlichen oder Beratern ab, ob KI zu einem Werkzeug wird, das die Entwicklung beschleunigt, oder zu einer Quelle des Chaos.

Empathie, Verständnis für den geschäftlichen Kontext und die Fähigkeit zuzuhören bleiben weiterhin entscheidend – denn sie ermöglichen es, das Potenzial der Technologie in einen realen Wert umzusetzen.

KI kann Code schreiben, Daten analysieren oder Lösungen vorschlagen, aber sie kann Vertrauen, Verantwortung und zwischenmenschliche Beziehungen nicht ersetzen. Und genau diese Elemente bilden die Grundlage für den langfristigen Erfolg jedes Projekts.

Die philosophische Dimension der Frage „Sein oder Nichtsein“

Es geht nicht nur um das Überleben einzelner Unternehmen, sondern um die Identität der gesamten polnischen IT-Branche.

Wollen wir weiterhin nur Auftragnehmer für die Erstellung von Code sein? Oder wollen wir KI nutzen, um strategische Partner zu werden, die ihren Kunden helfen, sich in einer Welt voller Veränderungen zurechtzufinden?

Künstliche Intelligenz wird uns einen Teil unserer Arbeit wegnehmen – das ist unvermeidlich. Aber sie wird uns nicht das Wichtigste nehmen: das Verständnis für den Menschen und die Kreativität bei der Verbindung von Technologie und Wirtschaft.

Schlussfolgerungen – die Zukunft liegt in unseren Händen

Künstliche Intelligenz ist weder eine reine Chance noch eine eindeutige Gefahr. Sie ist ein Katalysator für Veränderungen, der IT-Unternehmen dazu zwingt, ihre Rolle neu zu definieren. Für polnische Softwarehäuser und Technologieunternehmen ist es an der Zeit, sich die Frage zu stellen: Wollen wir auf Veränderungen reagieren oder sie selbst gestalten?

Ich arbeite täglich mit polnischen Lieferanten und Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen. Und ich sehe eines: Die polnische IT-Branche hat alles, um sich von einem Auftragnehmer zu einem Partner zu entwickeln, der die Richtung der Veränderungen vorgibt. In diesem Sinne geht es bei „Sein oder Nichtsein” nicht mehr um die bloße Existenz. Es geht darum, welche Rolle wir in einer Welt spielen wollen, in der KI zur Norm geworden ist.

PS: Das Bild wurde mit künstlicher Intelligenz erstellt.